Diskussion zum neuen Bundesteilhabegesetz mit Staatssekretärin Lösekrug-Möller

Es geht um eine Veränderung von Vorschriften im Sozialrecht, dem Eingliederungsleistungsrecht und dem Schwerbehindertenrecht. Drei Bausteine, die – vereinfacht gesagt – die Eckpfeiler des Gesetzesentwurfs zum neuen Bundesteilhabegesetz darstellen. Und drei Bausteine, die vermuten lassen, wie komplex diese Thematik ist. Eine strittige Angelegenheit. Gehen viele gegen den Entwurf doch sogar zum Demonstrieren auf die Straße. Grund genug für den SPD-Bezirk Braunschweig, mittels einer Veranstaltung zu informieren und für das neue Gesetz zu werben. Soll es doch eigentlich Menschen mit Behinderung ein Mehr an gesellschaftlicher Teilhabe und ein Mehr an selbstbestimmter Lebensführung bieten.

Das Interesse an dem vermeintlich sperrigen Thema ist groß. Fast voll besetzt war der Dr.-Heinrich-Jasper-Saal im Braunschweiger Volksfreundhaus. Insbesondere Fachleute verschiedener Einrichtungen aus der Region waren gekommen. Experten, für die Gabriele Lösekrug-Möller MdB, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, und Dr. Carola Reimann MdB, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, zwei ausgewiesene Expertinnn, auf dem Podium Platz genommen hatten. Mitorganisiert hatte die Veranstaltung die SPD-Arbeitsgemeinschaft „Selbst Aktiv“.

Sozialpolitikerin Reimann weiß, dass der Gesetzentwurf nicht nur Freunde hat: „Die zum Teil sehr heftige Kritik hat uns wehgetan, das gebe ich offen zu“, sagte sie zu Beginn. „Ich versichere aber: Entgegen aller Behauptungen wird es durch das Gesetz für alle Betroffenen keine Verschlechterungen geben. Ganz im Gegenteil: Jeder wird profitieren.“ Wie das gelingen soll? „Das Gesetz verfolgt ein zentrales Anliegen: Die Chance auf gleiche Teilhabe zu gewährleisten. Pflege und Assistenz müssen dort zur Verfügung stehen, wo sie gebraucht werden. Hier hat das Sozialrecht bisher zum Teil große Lücken, die gegen die UN-Behindertenrechtskonvention stehen, die Deutschland unterschrieben hat“, sagt sie über das Projekt, das in seinen Ausmaßen umfangreicher ist, als die Rentenverbesserungen und die Reform des Mindestlohns. Dinge, die dank der SPD ebenfalls in dieser Legislaturperiode auf Bundesebene umgesetzt werden konnten.

Staatssekretärin Lösekrug-Möller ging beim Teilhabegesetz weiter ins Detail: „Das Leistungsrecht der Eingliederungshilfe war im Sozialgesetzbuch (SGB) IX noch nicht eingegliedert und auch im neuen Koalitionsvertrag standen wir vor einem Problem: Das Spannungsfeld zwischen mehr Geld für die Fürsorge, aber weniger Ausgaben, galt es zu meistern. Hier haben wir trotz der föderalen Unterschiede in den Ländern nun ein gutes Gesetz gefunden, das alle Seiten bedient.“ Schließlich sei es problematisch, dass jedes Bundesland die Eingliederungshilfe umdefiniere, jedes Land habe eigene Leistungsgewährungen. Durch das neue Gesetz sei jedoch sichergestellt, dass niemand aus Leistungsberechnung der Eingliederungshilfe herausfallen werde. „Das alles zu berücksichtigen war schwierig, aber auch spannend“, so Lösekrug-Möller.

Verbindlich festgelegt werde außerdem, dass durch das neue Bundesteilhabegesetz die Rechte der Werkstatträte gestärkt werden. Auch Frauenbeauftragte würden nun eingeführt. „Inkrafttreten soll das Gesetz bis zum Jahr 2020 – jedoch in vielen Stufen und nicht auf einen Schlag“, kündigte Lösekrug-Möller an. Allerdings müsse es zunächst den Bundestag und den Bundesrat passieren, Veränderungen am Entwurf seien hier nicht ausgeschlossen: „Und das ist auch gut so, denn erste Gespräche zeigen, dass sinnvolle Verbesserungen geplant sind“, zeigte sich Lösekrug-Möller offen für die Diskussion.

Ist das Gesetz verabschiedet, seien zunächst Modellversuche in jedem Bundesland geplant. Anhand derer würde mit virtuellen Personalakten die Umsetzbarkeit des Gesetzes auf Ungereimtheiten geprüft. Dass es da zunächst beispielsweise mit den Trägern zu Problemen kommen könne, sei einkalkuliert: „Die Inklusionsdebatte muss als Prozess verstanden werden“, schlossen Reimann und Lösekrug-Möller. „Das Bundesteilhabegesetz stellt hier aber eine zentrale Verbesserung dar.“

Robin Koppelmann

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